Pflegereform 2021

Pflegereform 2021 – Neuer Gesetzentwurf: Änderungen für die ambulante und stationäre Pflege im Überblick

Entlastung bei Zuzahlungen im Pflegeheim, höhere Löhne für Pflegekräfte, eine neue Finanzspritze für die Pflege vom Bund: Der Bundestag verabschiedete Anfang Juni das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG), mit dem unter anderem die Neuregelungen zur Pflege von der Koalition verknüpft worden waren. „Last-Minute Reförmchen“, so betitelt Peter Thelen vom Tagesspiegel die im Bundeskabinett verabschiedeten Maßnahmen zur Verbesserung der Pflege in Deutschland. – Denn letztlich sind die jetzt von der GroKo beschlossenen Einzelaspekte nur noch einen Bruchteil dessen, was Gesundheitsminister Jens Spahn sich seit Anfang 2020 vorgenommen hat (wir berichteten im Januar bereits darüber).

Die Pflegereform 2021 sollte aus drei Säulen bestehen: die häusliche Pflege als erste Säule, die stationäre Pflege als zweite und die bessere Entlohnung für Pflegepersonal als dritte Säule. Zuletzt wurden die Reformpläne aber massiv reduziert: Die geplante Erhöhung von Pflegegeld und Tagespflege wurde gänzlich gestrichen, die Pflegesachleistungen werden erst zum Jahreswechsel 2021/2022 um fünf Prozent erhöht. Im Anfang 2020 formulierten Eckpunktepapier von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn waren unter anderem auch neue Höchstgrenzen für Eigenanteile in der stationären Pflege und eine erweiterte Finanzierung der beliebten 24 Stunden Pflege geplant. In den neusten Veröffentlichungen der Gesetzesinformationen vom 03.06.2021 werden viele geplante Änderungen nicht mehr erwähnt. Erfahren Sie, was sich durch die Pflegereform 2021 tatsächlich ändert.

Säule 1 – Stationäre Pflege

Die immer höheren Eigenanteile für die Pflegeplätze sind für viele Pflegebedürftige nicht mehr bezahlbar. Zudem gibt es zwischen den Bundesländern große Unterschiede in den Kosten der stationären Pflege. Im Bundesdurchschnitt werden aktuell circa 831 Euro für den sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) fällig.

Das Eckpunktepapier der Pflegereform sah vor, die Eigenanteile für die stationäre Pflege auf maximal 700 Euro monatlich zu deckeln – befristet auf maximal drei Jahre. Nun wurden die Eckpunkte angepasst: Die Eigenanteile im Pflegeheim sollen demnach erst im zweiten Jahr um 25 Prozent, im dritten Jahr um 50 Prozent und ab dem vierten Jahr und darüber hinaus um 75 Prozent gesenkt werden. Im ersten Jahr sollen keine Anpassungen an den Eigenanteilen vorgenommen werden.

Säule 2 – Ambulante Pflege

Eigentlich sollten Pflegegeld, Pflegesachleistungen und Leistungen für die Tagespflege zum 01.07.2021 um je 5 Prozent erhöht werden. Der nun erschienene Gesetzesentwurf sieht keine Erhöhung von Pflegegeld und Tagespflege mehr vor. Diese Punkte wurden gänzlich aus den Reformplänen gestrichen. Lediglich die Pflegesachleistungen werden um fünf Prozent erhöht – allerdings erst zum 01.01.2022.

Außerdem sollten Pflegebedürftige, die von einer 24 Stunden Pflege unterstützt werden, erweiterte Finanzierungsmöglichkeiten erhalten. Das Eckpunktepapier sah vor, dass bis zu 40 Prozent der Pflegesachleistungen für die 24 Stunden Betreuung nutzbar sind. Dieser Punkt wurde ebenfalls aus dem neuen Gesetzesentwurf entfernt.

Reformiert werden sollte auch die Ersatzpflege: Hier sah der Plan vor, ein einheitliches Entlastungsbudget von 3.300 Euro zu schaffen, statt zwei unterschiedlichen Zuschusstöpfe für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zu bedienen. Nun sieht der Gesetzentwurf lediglich eine Erhöhung von 10 Prozent für das Kurzzeitpflegebudget vor – die Verhinderungspflege bleibt nach dem aktuellen Stand von der Pflegereform unberührt. Viele Pflegehaushalte hatten sich durch ein einheitliches Ersatzpflegebudget vor allem organisatorische Erleichterungen erhofft.

Im Zuge der Corona-Sonderregelungen wurde das monatliche Pflegehilfsmittel-Budget vorübergehend auf 60 Euro angehoben. – Im Gesetzesentwurf vom 03.06.2021 wird dies nun ebenfalls nicht mehr erwähnt. Die vorübergehende Erhöhung gilt jedoch – unabhängig von der Pflegereform – bis mindestens 31.12.2021.

Als geplanter Reformpunkt unangetastet bleibt die Erhöhung der Pflegesachleistungen um fünf Prozent zum 01.01.2022.

Pflegesachleistungen: Die neuen Beträge im Überblick

 

Pflegegrad Leistung bis 01.01.2022 Leistung ab 01.01.2022
2 689 Euro 724 Euro
3 1.298 Euro 1.363 Euro
4 1.612 Euro 1.693 Euro
5 1.995 Euro 2.095 Euro

Kurzzeitpflege: Die neuen Zuschüsse im Überblick

 

  Bis 01.01.2022 Ab 01.01.2022
Standard-Budget 1.612 Euro 1.774 Euro
Zzgl. Aufstockung mit Verhinderungspflege 3.224 Euro 3.386 Euro

Säule 3 – Pflegepersonal

Die Eckpunkte in diesem Bereich sind: Eine bessere Bezahlung und mehr Verantwortung für Pflegekräfte soll den Fachkräftemangel lindern. Und: Bis 2024 soll die „Konzentrierte Aktion Pflege“ 10 Prozent mehr Auszubildende hervorbringen

Eine bessere Entlohnung von Pflegepersonal – sowohl stationär als auch ambulant – wird seit lange gefordert. Ab 1. September 2022 sollen nur noch Pflegeheime und Pflegedienste eine Zulassung erhalten, die „nach Tarif oder tarifähnlich“ bezahlen. (Eine genaue Definition des Begriffs „tarifähnlich“ liegt derzeit noch nicht vor.) Laut Spahn soll dies vor allem für Pflegekräfte in Ostdeutschland Unterschiede machen. Heil zufolge sollen 500 000 Pflegekräfte profitieren, die bisher nicht nach Tarif bezahlt werden – mit bis zu 300 Euro mehr im Monat. Die Gewerkschaft Verdi warnte vor Enttäuschung bei Pflegekräften.

Wann bzw. wie bereits zugelassene Pflegedienste und Pflegeheime in punkto Bezahlung der Mitarbeiter überprüft werden, ist noch unklar.

Kritik an den Reformplänen

Pflegende Angehörige fühlen sich von den Reformplänen im Stich gelassen. Von den versprochenen Erleichterungen ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die Erhöhung der Pflegesachleistungen sind ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Enttäuschung der Familien kommt z. B. bei den Pflegeberatern mit voller Wucht an. Der „größte Pflegedienst Deutschlands“ (wie pflegende Angehörige oft genannt werden) wird von der Reform nicht nennenswert entlastet. Pflegende Angehörige verausgaben sich finanziell und körperlich und bekommen dafür kaum Anerkennung und Unterstützung von der Politik. Mit dem neuen Gesetzesentwurf vom 03.06.2021 verschwanden viele der geplanten Erleichterungen sang- und klanglos.

Auch im stationären Bereich werden Pflegebedürftige und ihre Familien kaum nennenswert entlastet. Laut Berechnungen des vdek (Verband der Ersatzkassen e. V.) liegen die Eigenanteile für die Pflege weiterhin bei über 2.000 Euro pro Monat. Neben den einrichtungseinheitlichen Eigenanteilen sind es oft die Kosten für Heimunterbringen und Verpflegung (sog. „Hotelkosten“), welche die Zuzahlung aus eigener Tasche in die Höhe treiben. Spitzenreiter ist hier Nordrhein-Westfalen mit durchschnittlich über 1.050 Euro pro Monat alleine für Unterkunft und Verpflegung.

Finanzierung

Der Bund soll ab 2022 erstmals einen dauerhaften Zuschuss von jährlich einer Milliarde Euro für die Pflegeversicherung geben. Krankenkassen monierten aber schon, das reiche nicht aus, und warnten vor Beitragssteigerungen. Zugleich soll der Pflegebeitrag für Menschen ab 23 Jahre ohne Kinder von 3,3 auf 3,4 Prozent steigen.

Um die Kassenmitglieder vor steigenden Beiträgen zu bewahren, soll der Bund 2022 zunächst sieben Milliarden Euro als einen Extra-Zuschuss für die gesetzliche Krankenkassen geben – über die regulären 14,5 Milliarden Euro hinaus. Bei Bedarf soll der Steuerzuschuss so erhöht werden können, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag das heutige Niveau von 1,3 Prozent nicht übersteigt.

Die Neuregelungen zur Pflege sollen 2022 greifen.

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